1524 Kilometer für die KiJu!

1524 Kilometer für die KiJu!

Immerhin 72 Jahre alt musste Wolfgang Schneider werden, um sich einen großen Traum zu erfüllen. Mit einem 18-PS-Traktor und einem Planwagen als Schlafzimmer machte er sich auf den Weg nach Taizé. Als er zwei Wochen später nach Weldergoven zurückkehrte, hatte er 1524 Kilometer mehr auf dem Tacho, viele großartige Erinnerungen im Kopf und mehr als 1000 Euro für die Kinder- und Jugendstiftung Hennef zugesagt.

Vor Jahrzehnten hatte er in einer Zeitschrift von einem Mann gelesen, der mit einem 12-PS-Trecker und einem Anhänger ans Nordkap gereist ist. „So einen Trip wollte ich auch machen, aber am Nordkap war schon jemand“, erinnert er sich. Jahre lang hat er diese Idee im Kopf gewälzt. Und immer wieder hat er nach einem Trecker gesucht, erwähnte das mal im Gespräch mit „seinem“ Weinbauern Binninger.

1996 kam dann an einem Mittwochabend der Anruf: „Suchen Sie noch einen Traktor?“ Ein neues Gefährt kommt, das alte muss weg und zwar schnell. Am Freitag machte sich Schneider auf den Weg nach Briedel an der Mosel, feierte noch Geburtstag mit und machte sich am Samstag auf den Weg nach Hause – „Jonathan“ kam nach Weldergoven. Gegen 23.30 Uhr war Schneider zu Hause und im Anschluss sechs Wochen krank.

Damit lag das Projekt für eine Weile auf Eis. Doch regelmäßig hielt er Ausschau nach einem vierrädrigen Anhänger, Bau- und Zirkuswagen erwiesen sich als zu groß. Irgendwo in Rheinland-Pfalz sah er einen, indes benötigte ihn die dortige Straßenbauverwaltung zur Lagerung von Öl. Am Rotwein-Wanderweg an der Ahr wurde er schließlich fündig, im Gestrüpp stand „Marie“. Schneider, pensionierter Polizeibeamter, ermittelte den Besitzer, die beiden wurden sich schließlich einig. Es war ein Eigenbau mit einer Einzelzulassung, vermutlich 1952 fertig gestellt. Mit Freunden baute er es schließlich für seine Zwecke um, erhielt aber die Haken an der Deichsel, dort wurden früher Ochse oder Pferd eingehängt. Mit seinen Enkeln machte er kleine Touren, zockelte zu Treffen von Schlepperfreunden. In dieser Zeit reifte in seinem Kopf die Tour nach Taizé. „Das ist ein religiöses Thema und das interessierte mich“, sagt der Pensionär. „Da treffen sich Hunderte, ja Tausende meist junge Menschen im ökumenischen Geist und verbingen Zeit miteinander.“

2015 schon wollte er los, aber da wurde er krank. Seine Fahrt machte er zur Sponsorentour. „Bei uns klingeln häufig schon mal Kinder und sammeln für ihren Sponsorenlauf“, erinnert er sich. „In die Richtung habe ich dann auch gedacht.“ Weil er für die Kinder- und Jugendstiftung die Spendendosen in den Geschäften einsammelt, fragte er nach. „Die waren verhalten, hatten schon zu viele Anfragen.“ Also stellte er von vornherein klar: „Ich möchte zehn Euro für die gesamte Strecke. Wenn ich in Stoßdorf hängen bleibe, hören Sie nie wieder was von mir.“ Mehr als 100 Spender hat er auf diese Weise gefunden.

Seine erste Etappe führte ihn schließlich nach Prüm, exakt 124 Kilometer. Am ersten Tag kippte er an einer Tankstelle in Hennef auch noch einen halben Liter Öl nach, das reichte bis zum Ende. Seine Idee, das Navigationsgerät an die Scheibe zu kleben, scheiterte schon bald. Durch die Vibration fiel es immer wieder herunter. Also legte er es in einer Korb neben sich. Die kürzeste Strecke hatte er eingegeben, so musste er schon mal auf eine Schnellstraße, fuhr durch eigentlich gesperrte Abschnitte, schmale Gässchen, landete in kleinen Dörfern.

In Frankreich begegnete ihm bald die Erinnerung an den Ersten Weltjkrieg. „Das war sehr präsent. Und ich erinnerte mich, dass mein Opa in den ersten Kriegstagen im Maastal war.“ Er besuchte Soldatenfriedhöfe und begegnete Radlern, die nach Barcelona unterwegs waren. Seine Tochter Katja und sein Schwiegersohn besuchten ihn, brachten eine lange Unterhose mit. Denn es war kalt auf dem Bock. In Taizé traf er auf gut 2000 Gläubige. Schneider hat beeindruckt, wie dort jeder seinen Teil zum gelingen beiträgt, beim Kochen oder Abwaschen, Aufräumen oder Sauberhalten.

Auf dem Weg in die Schweiz machten ihn freundliche Franzosen darauf aufmerksam, dass dort an den Tankstellen gestreikt wird. Eine Campingplatzbesitzerin lud ihn zum Kaffee ein in die Küche ein, auf einem Gehöft noch im französischen Jura reparierte der Sohn der Familie seine defekte Lichtmaschine, er bekam ein Abendessen und ein Frühstück dazu. Über den Ballon d’Alsace ging die Reise, an der Mosel hat er mit einem durchnässten Motorradfahrer gefrühstückt, der in seinem Zelt abgesoffen war. Wegen eines Radrennens musste er 60 Kilometer Umweg fahren. Im saarländischen Sankt Wendel übernachtete er bei den Steyler Missionaren, das einzige Bett in einem Zimmer.

„Immer wieder haben Menschen gefragt, ob sie ein Foto machen dürfen. Mehrfach bin ich zum Abendessen eingeladen worden. Es kamen immer Leute auf mich zu“, resümiert er. Die mehr als 1000 Euro sammelt er jetzt ein. „Das ist langwierig, denn die Spender wollen wissen, wie es war.“ Das Strahlen in seinem Gesicht ist eigentlich Antwort genug. (RvG)

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